Predigt

"Welch eine Liebe …"

Das Leben ist erschienen

Predigttext1. Johannes 1,1-4 (mit Einführung)
Kirche / Ort:Groß Grönau/ Hamburg
Datum:02.01.2022
Kirchenjahr:1. Sonntag nach dem Christfest
Autor:Pastor em. Rudolf Albrecht

Predigttext: 1. Johannes 1,1-4 (Übersetzung nach Martin Luther, Revision 2017)

1Was von Anfang an war, was wir gehört haben, was wir gesehen haben mit unseren Augen, was wir betrachtet haben und unsere Hände betastet haben, vom Wort des Lebens - 2und das Leben ist erschienen, und wir haben gesehen und bezeugen und verkündigen euch das Leben, das ewig ist, das beim Vater war und uns erschienen ist -, 3was wir gesehen und gehört haben, das verkündigen wir auch euch, damit auch ihr mit uns Gemeinschaft habt; und unsere Gemeinschaft ist mit dem Vater und mit seinem Sohn Jesus Christus. 4Und dies schreiben wir, auf dass unsere Freude vollkommen sei.

Liturgisches zum 1. Sonntag nach dem Christfest

Der 1. Sonntag nach dem Christfest muss zwischen dem 27. und 31. Dezember liegen oder auf den 2. Januar fallen. Das ist am 2. Januar 2022 der Fall. Seit der Perikopenrevision 1978/79 ist 1. Johannes 1,1-4 Epistellesung, am 2.1.2022 ist er Predigttext nach der neuen Perikopenordnung 2017/18 als Reihe IV. Lesungen, Lieder, Wochenspruch, Predigttext sind auch nach Silvester und Neujahr noch weihnachtlich gestimmt. Nach den Festtagen lädt uns der Predigttext ein, uns auf den Ursprung des Festes zu besinnen.

Allgemeine und exegetische Überlegungen

Das Proömium 1.Johannes 1,1-4 ist kompliziert aufgebaut. Die Ähnlichkeit mit dem Prolog und auch sonst mit dem vierten Evangelium ist deutlich. Der Verfasser kannte das Johannes-Evangelium; wahrscheinlich war er Mitglied einer „johanneischen Schule“. Evangelium und Brief haben nicht denselben Verfasser, denn das Johannes-Evangelium richtet sich gegen die „Welt“ bzw. die „Juden“, also gegen Nichtchristen. 1. Johannes stammt aus einer späteren Zeit, gegen 100 n.Chr., als es galt, Irrlehrer im Bereich der christlichen Gemeinde zu bekämpfen. Das „Wort des Lebens“ ist sein Thema.

V1 Was von Anfang an war: das meint nicht, wie Johannes 1,1 „im Anfang“ der Schöpfung, sondern „seit dem Anfang“ der Verkündigung des Evangeliums von Jesus Christus: es geht nicht um die Präexistenz, sondern um die Inkarnation des Wortes, um das Gekommensein des Gottessohnes „im Fleisch“, um sein „Erscheinen“ als geschichtliches Ereignis (Bultmann, S. 15). In ihm hat die Botschaft ihren Ursprung. Der Predigttext wird fortgesetzt mit vier „Was“- Relativsätzen. Der Verfasser hat das sachliche „Was“ gewählt, weil es ihm um die Sache geht, aber es ist klar, dass Sache und Person identisch sind: Jesus ist der Christus und Sohn Gottes. Er ist das Wort des Lebens (das Wort, das vom Leben handelt, und zugleich kann der Sinn des „Logos“ als göttliche Person mitgehört werden [(= vom Logos, der Leben ist)]; Bultmann, S. 14, Anm. 1). Die vier Verben der sinnlichen Wahrnehmung - hören (2x), sehen (3x), betrachten, betasten - sollen den Eindruck erwecken, dass die „Wir“, die Verkündiger, Augen- und Ohrenzeugen des historischen Jesus waren und für die Botschaft bürgen. Durch die wuchtigen vier Relativsätze betont der „Briefschreiber“ (1. Johannes ist kein eigentlicher Brief) sehr deutlich, worum es ihm geht: um Jesus als geschichtliche Person.

V2 Die Parenthese ist nicht sekundär, sondern wesentlich: Das Leben ist im Wort des Lebens, in Jesus von Nazareth, dem Sohn und Christus Gottes, erschienen („erschienen“ kommt oft vor im 1. Johannes) - sichtbar erschienen, darum geht es. Die (gnostischen) innergemeindlichen Gegner bestreiten das Fleisch-Werden, die geschichtliche, sichtbare Erscheinung des Wortes in Jesus von Nazareth. Weil dieses Wort bei Gott war und Gott ist, ist es ein Wort des Lebens, ist es ewig. Das Verkündigen dieser Botschaft wird mit zwei Verben betont: durch verkündigen und bezeugen. Das Verb „bezeugen“ bezeichnet eine auf Wissen und Augenzeugenschaft beruhende Aussage (s. Bultmann, S. 13, Anm. 1).

V3 Die Wiederholung der Verben von V1 (besonders des Sehens) in V2 und V3 ist dem Verfasser sehr wichtig. Das Sehen und Hören und das Verkündigen wird wiederholt, damit es sein Ziel erreicht: die Widerlegung der Leugner der Inkarnation Gottes. Zum andern soll es die Gemeinschaft der Leser und Hörer der Botschaft mit den Verkündigern herstellen. Sie verkündigen recht das Evangelium, das sichtbare, wirkliche Erscheinen Gottes in der Welt, im Unterschied zu den Leugnern. Es ist auch eine Gemeinschaft mit Gott, dem Vater (Gott als Vater oft im 1.Johannes), und seinem Sohn Jesus Christus, dem menschgewordenen Wort des Lebens.

V4 In dieser Gemeinschaft der echten Gläubigen im gemeinsamen Glauben ist die Freude vollkommen. Sie ist das hier und heute schon von Gott geschenkte Heil - gegenwärtig, aber noch vorläufig; doch dessen Erfüllung wird Wirklichkeit werden.

Hinführung zur Predigt

Der Autor des 1. Johannes will Irrlehrer in der/n eigenen Gemeinde/n abwehren. 1. Johannes will Jesus als Verkörperung und als den Christus/Messias Gottes verkündigen. Das möchte ich auch. Ich möchte im Nachklang zu Weihnachten über das Kommen Gottes in unsere Welt predigen - über sein „Erscheinen“, seine Menschwerdung in dem Krippenkind, seine Inkarnation. Ich möchte Jesus als das „Wort des Lebens“ im Leben und Sterben und Auferstehen Jesu verankern. Über das Verhältnis zum Johannes-Evangelium und andere Stichworte des Predigttextes möchte ich nicht reden. Doch die Gemeinschaft und die Freude gehören zum Thema „Wort des Lebens“ und dürfen nicht weggelassen werden.

Über die Corona-Pandemie, ihre Schwere und die Widersprüche der Informationen haben wir ausreichend gehört und gelesen. Weil sich die Situation täglich ändert, will ich darauf nicht eingehen, sondern mich auf die weihnachtliche Botschaft von der Menschwerdung Gottes in Jesus konzentrieren. Sie wird auch durch die wunderbaren Weihnachtslieder verkündigt. Die kleine, überwiegend ältere Gemeinde, die an diesem Sonntag zum Gottesdienst kommt, erwartet keine weiteren Bilanzen, keine Prognosen, keine Zeitanalyse, sondern dass das Evangelium zur Sprache kommt und bei ihr ankommt - wie am Anfang.

Literatur in Auswahl

Rudolf Bultmann, Die Johannes-Briefe, Göttingen 1969. Feine-Behm-Kümmel, Einleitung in das Neue Testament, Heidelberg 1965. Christian Nottmeier/Matthias Lemme, Predigtstudien, Band 1, IV,2021/22, S.82ff. Klaus von Mering, Gottesdienstpraxis, Band 1, IV, 2021/22, S.90ff. Deutsches Pfarrer/innenblatt, Ausgabe 11, 2021, S.713. - Internet!

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Heinz Janssen
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