Predigt

Wen trägt der Hirte auf den Schultern?

esus tritt als Hirte für die Menschen ein

PredigttextJohannes 10,1-16 (mit exegetisch-homiletischen Überlegungen )
Kirche / Ort:Aachen
Datum:05.05.2019
Kirchenjahr:Miserikordias Domini (2. Sonntag nach Ostern)
Autor:Pfarrer Manfred Wussow

Predigttext: Johannes 10,1-16 (Übersetzung nach Martin Luther)

Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wer nicht zur Tür hineingeht in den Schafstall, sondern steigt anderswo hinein, der ist ein Dieb und ein Räuber. Der aber zur Tür hineingeht, der ist der Hirte der Schafe. Dem macht der Türhüter auf, und die Schafe hören seine Stimme; und er ruft seine Schafe mit Namen und führt sie hinaus. Wenn er alle seine Schafe hinausgelassen hat, geht er vor ihnen her, und die Schafe folgen ihm nach; denn sie kennen seine Stimme. Einem Fremden aber folgen sie nicht nach, sondern fliehen vor ihm; denn sie kennen die Stimme der Fremden nicht. Dies Gleichnis sagte Jesus zu ihnen; sie verstanden aber nicht, was er ihnen damit sagte.Da sprach Jesus wieder: Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Ich bin die Tür zu den Schafen. Alle, die vor mir gekommen sind, die sind Diebe und Räuber; aber die Schafe haben ihnen nicht gehorcht. Ich bin die Tür; wenn jemand durch mich hineingeht, wird er selig werden und wird ein und aus gehen und Weide finden. Ein Dieb kommt nur, um zu stehlen, zu schlachten und umzubringen. Ich bin gekommen, damit sie das Leben haben und volle Genüge. Ich bin der gute Hirte. Der gute Hirte lässt sein Leben für die Schafe. Der Mietling, der nicht Hirte ist, dem die Schafe nicht gehören, sieht den Wolf kommen und verlässt die Schafe und flieht – und der Wolf stürzt sich auf die Schafe und zerstreut sie –, denn er ist ein Mietling und kümmert sich nicht um die Schafe. Ich bin der gute Hirte und kenne die Meinen und die Meinen kennen mich, wie mich mein Vater kennt; und ich kenne den Vater. Und ich lasse mein Leben für die Schafe. Und ich habe noch andere Schafe, die sind nicht aus diesem Stall; auch sie muss ich herführen, und sie werden meine Stimme hören, und es wird eine Herde und ein Hirte werden.

Exegetisch-homiletische Überlegungen

Die Bildwelt in Joh. 10 ist einem Adlerblick geschuldet, vielfältig variiert und doch überraschend einfach. In dem ersten Ich-bin-Wort Jesu, das in Joh. 10 überliefert wird, geht es um die Tür, in dem zweiten um den Hirten: Jesus stellt sich als Tür vor und als Hirten. In beiden Fällen werden Diebe, Räuber und Mietlinge (modern: angestellte Hirten, 1 € Kräfte) als Sicherheitsrisiken kenntlich gemacht. Das Risiko ist, nicht nur überfallen zu werden, sondern sein Leben zu verlieren. Eine Steigerung ist in den Ich-bin-Worten unverkennbar. Dem Verlust an Leben wird die Fülle des Lebens gegenübergestellt. Jesus ist die „Tür zu den Schafen“ und der „gute Hirte“ in einem. Er lässt – sogar – sein Leben für die Schafe und nimmt es mit dem Wolf auf, koste es, was es wolle. Am Schluss wird in einem eschatologischen Ausblick versichert, dass es eine Herde und einen Hirten gibt.

Die Predigt wird die Intention von Joh. 10 positiv aufgreifen und Jesus als den verkündigen, der Menschen nicht nur in die Fülle des Lebens führt, sondern für sie kämpft und eintritt. Um den Preis des eigenen Lebens. In der altorientalischen und alttestamentlichen Bildwelt ist auch der König „nur“ ein Hirte, der für sein Volk Verantwortung übernimmt und den Schafen, bildlich gesprochen, nicht das Fell über die Ohren zieht. Im Bild des Hirten sind Leitung und Führung dargestellt, so archaisch das Verhältnis von Hirten und ihren Herden auch sein mag. Es geht um Gerechtigkeit, Schutz und Hilfe.

In Katakomben wird Christus als der dargestellt, der ein Lamm trägt, oft noch umgeben von anderen Lämmern und Schafen. Nach dem Hebräerbrief ist er der Anführer und Vollender des Glaubens. In der französischen Kathedralkunst ist Christus zu bewundern, der Judas, seinen aufgehängten Verräter, auf den Schultern trägt – siehe Säulenkapitell in der Kathedrale Sainte Marie-Madeleine, Vézelay (https://www.pius-kirchgessner.de/07_Bildmeditationen/4_Christus/Judas.htmy)

Im Wort „Pastor“ hat sich das Hirtenbild kirchlich eingebürgert. Der Pastor ist Hirte der ihm anvertrauten Gemeinde. Im Missbrauchsskandal wird sichtbar, wie auch die Öffentlichkeit unter der traumatischen Erfahrung, dass Menschen zu Opfern gemacht wurden, nicht nur schockiert ist, sondern unter der Unglaubwürdigkeit der Kirche wütend leidet. Ist der Pastor ein Kleriker? Der Klerikalismus eine Hirteneigenschaft? Joh. 10 stellt diese aktuellen Fragen durchaus schon ins Zentrum. Wie sieht ein guter Hirte aus? Was macht er? Was macht er nicht?

In Joh. 10 haben die Ich-bin-Worte Jesu einen ausgesprochen soteriologischen Charakter und gehen über die vertrauten Konnotationen hinaus. Die Ich-bin-Worte Jesu sind exklusiv zu verstehen. Nur er ist die Tür zu den Schafen – und nur er ist der gute Hirte. Als solcher ist er bekannt und vertraut. Seine Stimme ist vertrauenerweckend und hörbar. In Joh. 10 treffen wir auf ein christologisches Kapitel. Aber auch auf eine Bekenntnissituation.

Die Predigt wird die „Negationen“ allerdings auch konkretisieren müssen, ohne sich in den „Negationen“ verlieren zu dürfen. Das Evangelium ist zwar auch ein „Gegen-Evangelium“, aber als Pro-vokation ein Schlüssel, Lebenserfahrungen coram Deo aufzuschließen. Gefährdungen sind zu benennen, um sich ihnen nicht ergeben zu müssen.

Im Gottesdienst hat der 23. Psalm einen besonderen Platz. Im EG gibt es auch mehrere Lieder und Vertonungen zu ihm. In den Worten von Jürgen Henkys: "Der mir vorangeht, seines Namens wegen, führt mich auf rechtem Steg dem Ziel entgegen. Ob ich auch wandre, wo die Schatten kauern, durchs finstre Tal und zwischen starren Mauern: Du bist bei mir! Dein Stab lässt sicher gehen. Kein Unglück muss ich mehr allein bestehen. Du deckst den Tisch, den Feinde mir missgönnen. Du salbst mein Haupt, dass sie es sehen können. Du schenkst mir ein, dass ich mich vor dir freue und deinen Bund im Dank an dich erneue. Die Güte wird, die Liebe um mich bleiben. Aus deinem Haus darf niemand mich vertreiben."

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Heinz Janssen
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