“Wo wohnt Gott …?”

Christi Himmelfahrt – Der ferne und der nahe Gott

Predigttext: 1. Könige 8, 22-24.(25)26-28.(29-30)
Kirche / Ort: Dresden
Datum: 25.05.2017
Kirchenjahr: Christi Himmelfahrt
Autor/in: Pfarrer Christian Eberhard

Predigttext: 1. Könige 8, 22-24.(25)26-28.(29-30) (Übersetzung nach Martin Luther)

22 Und Salomo trat vor den Altar des HERRN angesichts der ganzen Gemeinde Israel und breitete seine Hände aus gen Himmel 23 und sprach: HERR, Gott Israels, es ist kein Gott weder droben im Himmel noch unten auf Erden dir gleich, der du hältst den Bund und die Barmherzigkeit deinen Knechten, die vor dir wandeln von ganzem Herzen; 24 der du gehalten hast deinem Knecht, meinem Vater David, was du ihm zugesagt hast. Mit deinem Mund hast du es geredet, und mit deiner Hand hast du es erfüllt, wie es offenbar ist an diesem Tage. 25 Nun, HERR, Gott Israels, halt deinem Knecht, meinem Vater David, was du ihm zugesagt hast: Es soll dir nicht fehlen an einem Mann, der vor mir steht, der da sitzt auf dem Thron Israels, wenn nur deine Söhne auf ihren Weg achthaben, daß sie vor mir wandeln, wie du vor mir gewandelt bist. 26 Nun, Gott Israels, laß dein Wort wahr werden, das du deinem Knecht, meinem Vater David, zugesagt hast. 27 Aber sollte Gott wirklich auf Erden wohnen? Siehe, der Himmel und aller Himmel Himmel können dich nicht fassen - wie sollte es dann dies Haus tun, das ich gebaut habe? 28 Wende dich aber zum Gebet deines Knechts und zu seinem Flehen, HERR, mein Gott, damit du hörest das Flehen und Gebet deines Knechts heute vor dir: 29 Laß deine Augen offen stehen über diesem Hause Nacht und Tag, über der Stätte, von der du gesagt hast: Da soll mein Name sein. Du wollest hören das Gebet, das dein Knecht an dieser Stätte betet, 30 und wollest erhören das Flehen deines Knechts und deines Volkes Israel, wenn sie hier bitten werden an dieser Stätte; und wenn du es hörst in deiner Wohnung, im Himmel, wollest du gnädig sein.

Zum Predigttext

Bei diesem Predgttext aus 1. Könige 8 muss man Einiges ausblenden, was einem bewusst ist: Die Stilisierung Salomos als Hohenpriester und von Gott geliebter König auf der einen Seite, die Art seiner Machtübernahme und seine Schuld für den Niedergang Israels auf der anderen Seite. Das Gebet zur Tempeleinweihung ist nach J. Kegler (Politisches Geschehen und theologisches Verstehen, 1977) eine dtr Stilisierung einer Klage. Sie ist eingebunden in die Darstellung der Ehre Salomos durch den Bau des Tempels. „Dtr. setzt einen unübersehbaren Akzent: das Wichtigste an Salomos Regierungszeit war die Einweihung des Tempels und damit der Beginn der im Tempel aktuell gegenwärtigen Präsenz Jahwes.“ (ebd. S. 205) Was hat dazu geführt, diesen Text ausgerechnet an Himmelfahrt in die OP aufzunehmen? Die Frage nach dem Ort, an dem Gott zu finden ist? Gerade an Himmelfahrt haben die Freiluftgottesdienste eine starke Tradition und erfreuen sich zunehmender Beliebtheit.

Die Frage des Salomo, wie Gott fassbar sei, habe ich in dem Motto „Wo wohnt Gott?“ aufgegriffen und ergänze den Predigttext durch den „Hausgenossen“ (Epheserbrief), den „geringsten unter meinen Brüdern“ (Matthäus) und die „Hütte“, die Gott im neuen Jerusalem unter uns aufschlagen wird (Johannesapokalypse). Der Paralleltext im 2. Chronikbuch gibt keine neuen Erkenntnisse für die Predigt und wird deshalb vernachlässigt. Himmelfahrtsgottesdienste sind bei uns im Freien: Auf Berghügeln, an kleinen Seen, auf Waldlichtungen. Es liegt dabei nahe, auch die Erfahrungen in den Gemeinden aufzunehmen bzw. bei diesem Predigttext einzelne Kirchen zu benennen.

 

zurück zum Textanfang

„Wo wohnt Gott?“ Diese Frage stellen uns Kinder – und nicht nur die. „im Himmel“, ist eine Antwort. Der Himmel ist das Ziel der Sehnsüchte. Der Himmel steht für das Unerreichbare, das Ferne – oder sagen wir besser: Der Himmel stand dafür. In den Himmel zu fliegen, war einer der Träume der Menschen. Seit über einem halben Jahrhundert sind Raketenstarts in den Weltraum nichts Besonderes mehr. Wer nimmt heute außer den Fachleuten noch Notiz davon? Satelliten kreisen um die Erde. Weltraummüll sammelt sich an. Der Himmel ist heute kein guter Ort mehr, um sich Gott dort vorzustellen. Auch nicht die Himmelfahrt Jesu, wie sie die Apostelgeschichte erzählt. Der Himmel war damals noch ruhiger – und menschenleer.

„Wo wohnt Gott?“ Ein Naturfreund würde vielleicht auf einen Berg hinweisen. Für viele Menschen sind Berge so etwas wie „heilige Orte“. Überhaupt bietet die Natur gute Orte für Gott. Oder wohnt Gott im Tempel, in der Kirche? Nennen wir sie doch auch „Gotteshaus“. Wo sonst ist es wahrscheinlich, Gott zu finden, als an solchen Orten? Wir erbten sie von unseren Vorfahren. Die gotischen Kathedralen, sie streben die in die Höhe und zeugen von Gottes Majestät. Die romanischen Martins- und Marienkirchen, sie wirken wie Wohnzimmer Gottes. Die Markgrafenkirchen mit dem Marmor nachempfundenen Holzanstrich. Die Wehrkirchen, sie erinnern an eine sichere Burg, wie sie das Reformationslied besingt: „Ein feste Burg ist unser Gott“. Kirchen, Orte der Einkehr, des Atemholens in der Hektik des Alltags. Sie nehmen mich in die Anbetung Gottes hinein. „Wo wohnt Gott?“ Der heutige Predigttext geht dieser Frage nach, Salomo stellt sie bei der Einweihung des Tempels in Jerusalem vor rund dreitausend Jahren.

(Lesung des Predigttextes)

„Wo wohnt Gott?“ König Salomo findet keine schnelle Antwort. Die Götter der nichtisraelitischenVölker konnte man in von Menschenhand gebauten Tempeln „einsperren“. Aber Gott, der das Volk Israel aus der Sklaverei herausführte, beweglich blieb, mit seinem Volk durch Wüste wanderte – kann man diesen Gott einsperren? „Siehe, der Himmel und aller Himmel Himmel können dich nicht fassen – wie sollte es dies Haus tun, das ich gebaut habe?“ Salomo findet deutliche Worte: Gott ist frei, für Gott ist jedes irdische Haus zu klein. Dennoch baute Salomo den Tempel. Als Gegenentwurf zur Welt draußen. Ich kann mich darin Gott nähern. Gut, dass heute viele Kirchen auch außerhalb der Gottesdienste offen sind. Für Zeiten der Stille. Gelegenheit, eine Kerze anzuzünden, zu sich selbst, zu Gott finden …

Aber Gott hat noch eine andere Wohnung. Im Epheserbrief lesen wir: „So seid ihr nun nicht mehr Gäste und Fremdlinge, sondern Mitbürger der Heiligen und Gottes Hausgenossen, erbaut auf den Grund der Apostel und Propheten, da Jesus Christus der Eckstein ist, auf welchem der ganze Bau ineinandergefügt wächst zu einem heiligen Tempel in dem Herrn. Durch ihn werdet auch ihr miterbaut zu einer Wohnung Gottes im Geist“. Was für ein Zuspruch! Wir sind die Wohnung Gottes. Gottes Geist baut uns alle ohne Unterschied zu seiner Wohnung. Ein schönes Bild. Wir sind Gottes „Hausgenossen“. Keine Mieter, keine Untermieter, sondern gleichberechtigte Hausbewohner, Familie Gottes. Seine Hausgenossen, seine Jünger und Jüngerinnen, suchen und pflegen Gemeinschaft mit jedem Menschen. Niemand wird ausgegrenzt. Besonders die schwächsten und hilfebedürftigsten Menschen sind ihre Schwestern und Brüder. So hat es Jesus gewollt und gelebt. In den Ärmsten unter den Armen sehen wir Jesus und helfen ihnen. Jesus ist uns seit seiner Himmelfahrt nicht fern, sondern er ist bei uns, „alle Tage bis an der Welt Ende“.

„Wo wohnt Gott?“ Wenn Gott keinen festen Wohnort hat, wenn ich ihn in allem entdecken kann, was von seiner Schöpferhand und seiner Liebe zeugt, so gibt es doch einen Ort, den er sich vorbehalten hat: Gott wird bei den Menschen wohnen. „Siehe da, die Hütte Gottes bei den Menschen“, heißt es in der Offenbarung des Johannes, und weiter: „Gott wird bei ihnen wohnen, und sie werden sein Volk sein, und er selbst, Gott mit ihnen, wird ihr Gott sein“. All das, was uns an Gottes Dasein und Gegenwart zweifeln lässt, wird Vergangenheit sein, wenn Gott sein Haus unter uns baut. In einem Lied von  Claus-Peter März (1981 / 1985) heißt es:

Wenn das Brot, das wir teilen, als Rose blüht
und das Wort, das wir sprechen, als Lied erklingt,
dann hat Gott unter uns schon sein Haus gebaut,
dann wohnt er schon in unserer Welt.
Ja, dann schauen wir heut schon sein Angesicht
in der Liebe die alles umfängt,
in der Liebe die alles umfängt.

Stimmen wir in dieses Lied ein!

Wenn das Leid jedes Armen uns Christus zeigt
und die Not, die wir lindern, zur Freude wird,
dann hat Gott unter uns schon sein Haus gebaut,
dann wohnt er schon in unserer Welt.
Ja, dann schauen wir heut schon sein Angesicht
in der Liebe die alles umfängt,
in der Liebe die alles umfängt.

Wenn die Hand, die wir halten, uns selber hält
und das Kleid, das wir schenken, auch uns bedeckt,
dann hat Gott unter uns schon sein Haus gebaut,
dann wohnt er schon in unserer Welt.
Ja, dann schauen wir heut schon sein Angesicht
in der Liebe die alles umfängt,
in der Liebe die alles umfängt.

Wenn der Trost, den wir geben, uns weiter trägt
und der Schmerz, den wir teilen, zur Hoffnung wird,
dann hat Gott unter uns schon sein Haus gebaut,
dann wohnt er schon in unserer Welt.
Ja, dann schauen wir heut schon sein Angesicht
in der Liebe die alles umfängt,

in der Liebe die alles umfängt.

Wenn das Leid, das wir tragen, den Weg uns weist
und der Tod, den wir sterben, vom Leben singt,
dann hat Gott unter uns schon sein Haus gebaut,
dann wohnt er schon in unserer Welt.
Ja, dann schauen wir heut schon sein Angesicht
in der Liebe die alles umfängt,
in der Liebe die alles umfängt.
 

 

zurück zum Textanfang

2 Kommentare on ““Wo wohnt Gott …?”

  1. Pastor i.R.Heinz Rußmann

    Der Himmel kann Gott nicht fassen, heißt es im Predigttext. Das will sagen, dass Gott der Schöpfer größer ist als die Schöpfung und der bestirnte Himmel. Pfarrer Eberhard geht ganz zeitgemäß davon aus, dass im Raketen- Zeitalter und der Zeit des Weltraum -Mülls der astromonische Himmel kein guter Ort mehr ist, um sich Gott dort vorzustellen. Gott wohnt an heiligen Orten in der Natur z.B. auf Berghöhen. In Kirchen wohnt Gott, in deswegen so genannten Gotteshäusern. Der Predigttext macht darauf aufmerksam, dass eine Kirche und ein Tempel viel zu klein sind für Gott. Trotz dieser Einsicht hat Salomo den Tempel in Jerusalem gebaut. Im Ephserbrief hat Gott seine Wohnung in der christlichen Gemeinde. Wir Christen sind in der Gemeinde die Wohnung Gottes. Wenn wir wie Jesus den Armen helfen, ist Jesus seit seiner Himmelfahrt bei uns alle Tage. Gott können wir entdecken in allem, was von seiner Schöpferhand und seiner Liebe zeugt. Sehr passend zur Predigt ist das Lied am Schluss. – Das heute schwierige Thema Himmelfahrt und die Gegenwart des erhöhten Christus hat Pfarrer Eberhard überzeugend, freundlich, anschaulich und in logischen Schritten verkündet. Er hat fast alle Aspekte, wo Gott und damit Christus wohnt, sehr überzeugend und verständlich vermittelt. Auch vom Schöpfer ist in einem Satz die Rede am Schluss. Allerdings fehlt manchen Christen und mir doch die traditionelle Vision vom universalen Christus zur Rechten Gottes seit Himmelfahrt und die entsprechende moderne Vision vom Wirken des kosmischen Christus, wie zum Beispiel bei Teilhard de Chardin (s. Google Suchwort: Die Stufen der Evolution von Teilhard de Chardin)

  2. Chr. Kühne

    Die Predigt beginnt mit der einen Frage, die Menschen bis heute bewegt: Wo wohnt Gott? Und die Antwort ist eindeutig: Im Himmel. Unsere Sprachlosigkeit lässt uns von „Gott“ reden, von dem wir nichts wissen. Sie lässt uns einen Ort „erfinden“, den wir nicht beschreiben und auch nicht bevölkern können. Unsere Glaubenssprache ist bildhaft, lebt von Bildern, die in uns klingen und die wir immer wieder verändern können. Die Wissenschaft versucht dagegen, ihre Erkenntnisse „objektiv“ zu formulieren und bedient sich dann doch ebenfalls bildhafter (!) Sprache. Beide Bereiche sind getrennt voneinander zu betrachten.

    Der Autor versucht, die Wohnung Gottes in der Natur zu finden, in der Gestalt der Kathedralen. Er beschreibt sehr schön unser Bedürfnis, eine Kirche, einen Tempel zu errichten „als Gegenentwurf zur Welt draußen“. Ein anderer Entwurf ist die Wohnung Gottes in der „Gemeinschaft der Heiligen“. Ein dritter Entwurf zeigt die Wohnung Gottes als zukünftige Vision, die „heute schon sein Angesicht“ schauen lässt. Gottes Wohnung entsteht, wenn wir IHN singen, wenn wir das Brot teilen wie das Wort oder auch auch unsere Hilfe. Vielleicht ist darin auch die Vorstellung enthalten, dass Gott im Zelt der Begegnung mit uns mitgeht auf unserer Wanderung durch die Zeit.

    Wohltuend, dass der Prediger mit einem Lied schließt, mit Bildern, die uns gut tun, die wir nachvollziehen können, die wir mitsingen, mitglauben können!

Ihr Kommentar zur Predigt

Ihre Emailadresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind markiert.