Stefanie Schäfer-Bossert, Elisabeth Hartlieb (Hg.), Feministische Theologie – Politische Theologie. Entwicklungen und Perspektiven

Der Sammelband (s. Cover unter “Buchempfehlung”)  versteht sich, wie aus den einleitenden Worten der beiden Herausgeberinnen, Stefanie Schäfer-Bossert und Elisabeth Hartlieb, hervorgeht (S. 9-13),  “als Aufnahme und Weiterführung”  eines “Prozesses”, der durch eine Tagung im Jahre 2010 angeregt  wurde – eingeladen hatte dazu die “Deutsche Sektion”  der ” European Society of  Women in Theological Research” (ESWTR) in Zusammenarbeit mit dem “Frauenstudien- und -bildungszentrum”  (FSBZ) in der EKD / Comenius-Institut.  Fragestellung: “Für feministische Befreiungstheologien war der Zusammenhang von Politik, privatem Alltag und theologischer Arbeit lange konstitutiv. Gilt dies auch heute noch für feministische Theologien, Genderstudies und Frauenforschung?” (S. 10)

Mit einem Sprechchor, der damit spielt, dass politisch privat ist und umgekehrt stimmen 16 Autorinnen auf 15 Beiträge ein. Ein guter Aufbau – Überblicke und Grundlegungen, Biblische und spirituelle Perspektiven, Anfragen und Lernfelder – leitet klar durch das Buch. Dem Untertitel „Entwicklungen und Perspektiven“  versucht jeder Beitrag gerecht zu werden, als großer Bogen ist er auch im Gesamtaufbau zu erkennen.

Die Autorinnen lassen Leserinnen und Leser profiliert an einer Vielfalt von Themen teilnehmen. Es ist dadurch ein interessantes Nachschlagewerk, da jeder Beitrag in seiner Thematik eine neue Facette zur Feministischen / Politischen Theologie öffnet und für sich so aussagekräftig ist, dass er genügend Wissens- und Diskussionsstoff bereit hält. Theologinnen, Theologen, Prädikantinnen und Prädikanten, Absolventinnen des Fernstudiums „Feministische Theologie“, Theologiestudentinnen und Studenten kann sich eine Fundgrube an Wissen eröffnen. Die Unterschiede, die sich durch die Konfessionen ergeben, werden an verschiedener Stelle im Buch, im jeweiligen Kontext, erörtert.

Zu den einzelnen Beiträgen

Was könnte politische Theologie sein? Am Beispiel der Definition von Dorothee Sölle führt Marie Theres Wacker in das Thema ein und kommt dann zu weiteren Entwicklungen. Zunächst ist es eine solide Grundlage oder eine Erinnerung an die Anfänge. In der Gegenwart endet ihr Beitrag. Ein „politisch-kirchlicher Anstoß“, eine Formulierung aus dem Buch, und ich erweitere, für jede Leserin, jeden Leser, ein Beitrag, der  Interessierte in Gesellschaft und Kirche auf Themen lenken  kann, die ungewohnt sind. – Andrea Günther fordert auf, sich in eine Tradition zu stellen, dabei die Gegenwart wahrzunehmen, was eine Hoffnung für die Zukunft bedeutet. Sie führt in die befreiungstheologische Perspektive ein. – Andrea Bielers Beitrag ist überschrieben: Der Raum des Politischen in postkolonialen feministischen Theologien in den USA. Vor dem Hintergrund der amerikanischen Kolonialgeschichte macht sie deutlich, dass es immer wieder um Hierarchisierung und Spaltung geht, und die Autorin endet mit einem für die Basisarbeit wichtigem Satz: Das Konzept einer relationalen Transzendenz kann Impuls für die politische Arbeit mit MigrantInnen setzen, indem diese weder  einfach in ihrem »Fremdsein« exotisiert werden noch als hilfsbedürftige Wesen zu Objekten degradiert werden (S. 69).

Zu den biblischen und spirituellen Perspektiven

Klara Butting führt in einer gut verstehbaren Sprache in den Psalter / die Psalmen und den Messianismus ein, den sie darin entdeckt. In ihrem Beitrag gibt es Schlussfolgerungen zu entdecken, die die menschliche Existenz treffen und darum mit hinein nehmen in die Eigenverantwortung als Mitglieder der Gesellschaft, einer Verantwortung, die aus der Beziehung zu Gott erwächst und geprägt ist. – Claudia Janssens Beitrag stiftet regelrecht an, neu über die Paulustexte zu diskutieren. Sie verlässt die traditionellen Auslegungen mit ihren oft zweifelhaften Deutungen und einer z. T. fatalen Wirkungsgeschichte. Die Theologin verweist auf die Argumentation des Apostels im Zusammenhang mit der Realität der römischen Herrschaft und ihren Interessen, auch Interessen an käuflicher Sexualität. Sie lädt ein, die verschiedenen Dimensionen von Gewalt, Sexualität und Macht anzuschauen und mit der neuen Perspektive auf Paulus eine befreiende Kraft, eine Ermutigung, zu erkennen.

Um Frauengottesdienste ist es stiller geworden, bis auf zarte Anfänge oder leise Beharrlichkeit, so die Feststellung von Brigitte Becker. Am Beispiel der Schweiz beschreibt sie, was Frauen auch in Deutschland erleben. Den Weltgebetstag nimmt sie davon aus, ganz zu recht. Hiejr hätte ich mir sogar mehr als nur einen Satz gewünscht, wirkt der Weltgebetstag doch sehr nachhaltig bei Frauen, welche sich in diese älteste ökumenische Bewegung mit dem Höhepunkt des Gottesdienstes hinein begeben. – Elisabeth Hartlieb vertieft sich in die Werke von Dorothee Sölle und greift den Aspekt „Gott denken“ auf. Sie würdigt sehr gelungen das Verständnis von D. Sölle als einer der bedeutendsten Theologinnen und deren Verständnis von Mystik und Politik.

Anfragen und Lernfelder

Diesen Themenbereich eröffnet Sandra Lassak. Sie weckt in ihrem Beitrag das Verständnis dafür, dass andere Lebensorte, Kontexte und andere Kulturen die politischen und theologischen Inhalte zu jeweils anderen Ergebnissen, zu einer anderen Definition, führen. Intensiv beschäftigt sie sich mit Missionstheologie / Frauenmissionstheologie. Ein Fazit ist, Befreiungstheologie kann nur eine Theologie im Plural sein, was die Autorin der Leserin, dem Leser, sehr interessant entfaltet. – Sabine Plonz beleuchtet den Umgang sowie die Aufgaben im Kontext von Diskriminierung und Vielfalt. Sie übt Kritik an der eigenen evangelischen Kirche am Beispiel der Islam-Toleranz und hält einen Spiegel vor. – Was macht die Gesellschaft mit unserem Körper, dem Körper, der eine Hautfarbe hat, ein Geschlecht hat, gesund, krank oder behindert sein kann, und was hat das alles mit Machtpolitik zu tun? Damit beschäftigt sich Eske Wollrad. Sie fragt danach, welches Körperbild unser Denken in bestimmten Situationen  prägt, welchen Normen wir folgen und wo sie uns auf Irrwege führen oder hinderlich sind.

Ulrike Auga zitiere ich, sie hat sehr gut ihr Vorgehen beschrieben: „Ich werde zunächst den Zusammenhang von Biomacht und Religion erklären, die historische Antihomosexualität des Christentums kritisieren, die biomächtigen gewaltvollen Zugriffe von Staat und Religion auf queere Lebensformen an Hand der (Nicht-) Anerkennung von gleichgeschlechtlicher Elternschaft verdeutlichen, und schließlich emanzipatorische Kraft und gesellschaftliche Imagination der Gegendiskurse am Beispiel einer Berliner Selbsthilfegruppe erläutern“ (S. 170) – sehr lesenswert! –

Aurica Nutt geht der Frage nach dem Zusammenhang von Ökologie und Geschlecht auf der Basis der Ausführungen von Cathrin Keller nach. C. Keller versteht Ökotheologie als eine Theologie, welche nicht den Menschen als Subjekt der Natur als Objekt gegenüber stellt. Das Gleiche gilt für die Geschlechter.

Es schließen sich Stephanie Schäfer-Bossert und Leonie Bossert mit ihren, so heißt es im Untertitel, „Impulse(n) aus tier- und umweltpolitischen Diskursen“ an. Sie eröffnen ein altes und doch hochaktuelles Feld, das des Speziezismus, welches sie als ein Anliegen „der Feministin“ verstehen. Die Autorinnen wollen locken, unser Verhältnis zu Tieren und Pflanzen zu klären und machen auf einige Ungereimtheiten im praktischen Handeln aufmerksam. Sie hinterfragen das Verhältnis Mensch-Tier und fragen nach der Bedeutung der Mitgeschöpflichkeit, so wird es hoch politisch. – Mit zwei Beiträgen, von Ranjah Scheepers und Annette Mehlhorn zeigen die Autorinnen die gesellschaftlichen Entwicklungen der letzten Jahre in den Pfarrhäusern. Es geht um Feminisierung des Pfarrberufes, Angst und Vorurteile  lassen grüßen, um den Einfluss des Berufes, des Pfarrhauses, um Defizite, erste positive Resultate und um die Fehler und Fehleinschätzungen, die unsere Kirche in die Bedeutungslosigkeit versinken lassen könnte. Zwei sehr interessante Beiträge, nicht nur für in Pfarrhäusern lebende Menschen.

Eine kritische Anmerkung: Bedauerlicherweise lassen sich einige Beiträge von einem Teil der interessierten Menschen, die durchaus Zielgruppe sind,  vermutlich nur mit einem Fremdwörterlexikon erschließen. Hier sollte sich die Autorin überlegen, ob es nicht sinnvoll ist, eine Sprache zu wählen, die allgemein flüssig zu lesen ist – den meisten Autorinnen gelingt es erfreulicherweise, sie werden entsprechend dankbare Leserinnen und Leser finden, und solche möchte ich dem sehr empfehlenswerten Buch wünschen. Den beiden Herausgeberinnen gebührt ein besonderer Dank.

Petra Neumann-Janssen

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