Zwischen Bravo und Koran – Junge Muslime in Deutschland
Kathrin Boukrayaa Trabelsi: Zwischen Bravo und Koran. Junge Muslima in Deutschland zwischen westlicher Moderne und religiöser Tradition, (LIT-Verlag) Berlin 2015, 624 Seiten, kartoniert, 64,90 € – ISBN 9783643129994
Seit Christian Wulff sagte, dass der Islam zu Deutschland gehöre, wird darüber kontrovers debattiert. Nicht bestritten werden kann , dass etwa vier Millionen Muslime in Deutschland leben (vgl. S. 17). Die 1980 geborene Verfasserin dieser Münchener praktisch-theologischen Dissertation des Wintersemesters 2014/15 fragt, wie weibliche muslimische Jugendliche beziehungsweise junge Erwachsene ihre Religion in ihr eigenes Leben in einer modernen, westlichen Kultur zu integrieren vermögen. Treffend kennzeichnet der Titel die Gegensätze. Naturgemäß sind Dissertationen mit (sehr) vielen Anmerkungen versehen. In diesem Fall sind es 731; tempora mutantur: nicht nur die ersten fünf verweisen auf internet-Quellen.
Am Ende der Einleitung (S. 15-29) wird als Ziel der Arbeit formuliert: zu untersuchen, „inwieweit und auf welchen Wegen es diesen [jungen Muslima] gelingt, die unterschiedlichen Einflüsse, die sie in ihrem Alltag erfahren, miteinander zu vereinbaren.“ (S. 28) Man kann nur hoffen, dass bald eine Studie vorgelegt wird, die sich speziell auf männliche Jugendliche beziehungsweise junge Männer bezieht und die explizit die Frage der Gewalt (siehe unten) und des Terrors thematisiert.
Kapitel II (S. 31-76) beinhaltet methodische Überlegungen zu dieser qualitativen Untersuchung, die auf semistrukturierten und themenzentrierten Interviews mit acht jungen Muslima basiert. S. 70-72 gibt einen Überblick über den „Aufbau der Studie“; S. 72-76 wird die untersuchte Gruppe kurz beschrieben.
Unter folgenden acht Aspekten werden die Interviews im umfangreichen Hauptteil III (S. 77-591) ausgewertet: Identitätsfindung, religiöse Praxis, Leben in Deutschland, Moralvorstellungen, Islamische Kleidung, Heirat und Ehe, Familie und Erziehung, Bildung und Beruf.
In jedem der acht Glaubens- und Lebensbereiche werden (kurze) Zitate aus dem Koran abgedruckt. Aus gegebenen Anlässen wichtig: S. 156-160 wird Sure 9,5 („tötet die Polytheisten“ [Übersetzung Abdel Theodor Khoury]; Paret übersetzt „Heiden“) und die damit zusammen hängende Frage nach der Gewalt (jihad; vgl. Anm. 166) ausführlicher diskutiert; siehe dazu zuletzt das Themenheft „Hat Hass eine Religion? Die perfide Taktik des islamistischen Terrors“ von Publik. Forum Nr. 2 30.1.2015.
Im letzten Teil (IV), dem „Resümée“ (S. 593-607; laut Duden müsste Resümee stehen), wird als Erstes festgestellt, wie heterogen die einzelnen Biografien sind. Der Vielfalt islamischer Gemeinden in Deutschland (vgl. S. 20) entsprechen also vielfältige individuelle Lebensvollzüge. In diesem Zusammenhang „erweist sich bereits die korrekte Wortwahl als schwierig.“ (S. 593) Man muss also genau hinhören beziehungsweise hinschauen. „Zusammenfassend wird deutlich, dass die Dichotomie zwischen religiös-islamisch und westlich-säkular, aber auch zwischen traditionell und modern nicht klar zu bestimmen ist.“ (S. 601) Abschließend betont Boukrayaa Trabelsi die Notwendigkeit von gegenseitigen Informationen. „Kommunikation und Dialog führen zur Auflösung des ´Wir-und-Die-Schemas´sowohl auf muslimischer als auch auf nicht-muslimischer Seite. Aufklärung und Bildung wirken bestehenden Vorurteilen entgegen und schaffen eine Vertrauensbasis, die die Voraussetzung für eine erfolgreiche Integration ist.“ (S. 607)
Abschließend sei fest gehalten und herausgestellt, dass der größte Gewinn dieser Arbeit darin liegt, dass sie (sehr) interessante Inneneinblicke gewährt und insofern für