“Reading the New Testament…”

Eve-Marie Becker / Jens Herzer / Angela Standhartinger / Florian Wilk (Hgg.), Reading the New Testament in the Manifold Context of a Globalized World, Narr Francke Attempto Verlag Tübingen 2022, kartoniert, 397 S., 108,– €, ISBN 978-3-7720-8765-3

In einem Satz gleich vorneweg: ein außergewöhnliches, in mehrfacher Hinsicht lehrreiches, leider aber sehr teures Buch; dann jedoch auch good news: Das Buch ist auch open access verfügbar: https://elibrary.narr.digital/book/10.24053/9783772057656 Spezifischer dann die folgenden drei Hauptpunkte:

Hg. von vier deutschen Theolog*innen (keine*r verfasste jedoch einen Beitrag!) erscheinen 15 in englischer Sprache verfasste Berichte. Ihre Autor*innen kommen – wenn ich richtig zählte – aus insgesamt zehn Ländern. Also eine sehr erfreuliche weltweite,  ökumenische Vielfalt, die der weltweiten Verbreitung der Bibel entspricht; S. 337-340 sind Herausgeber und Verfasser samt ihrer letzten Werke genannt. Und allen Leser*innen zum Trost: Das Englisch ist recht einfach, also gut verständlich. Außerdem verhelfen diverse Indices bei der Erschließung des Buches.

Der „Index of Modern Authors“ offenbart, eine wie geringe Rolle deutsche Theologen international spielen. Nur sehr sehr wenige (z.B. Ernst Käsemann) werden häufiger genannt. Ein Beispiel ist der 1944 geb. William Loader (s. https://en.wikipedia.org/wiki/Bill_Loader). Aufgewachsen in Neuseeland, will er nach Deutschland. Denn: „I wanted to become a conpetent reaearcher and teacher.“ (S. 292) Wie andere erzählt er sehr persönlich. Er heiratet eine Deutsche, bekommt mit ihr ein Kind und wird 1972 in Mainz promoviert, wirkt dann jedoch im englischsprachigen Raum.

Ein einziger Beitrag ist auf deutsch: „Die Erfahrung, im brasilianischen Kontext zum NT zu lehren und zu forschen“ (S. 245-268). Nicht nur deshalb möchte ich ihn etwas ausführlicher vorstellen. Sein Verfasser ist Marcelo da Silva Carneiro. Im abstract kennzeichnet er ihn als „autobiographic text which focuses on the work done by the author as New Testament teacher in São Paulo.“ Im sechsseitigen „Überblick über meine akademische Laufbahn“ erfährt man leider nicht, woher seine Beziehung zur deutschen Sprache und Theologie kommen, wohl aber, dass er von Portugiesen und Indigenen abstammt, in historisch-kritischer Exegese ausgebildet wurde, „kombiniert mit der Befreiungstheologie und immer im Hinblick auf die Realität Lateinamerikas und ihre konkreten Lebensbedingungen.“

Diese Orts- und Zeitbezogenheit jeder Theologie kommt auch in vielen anderen Beiträgen zum Ausdruck, z.B. im Abschnitt „NT Research for Dealing with Theological Questions and System Relevance in Russia“ (S. 332-334) oder bei dem Spanier Armand Puig i Tàrrech, der die Bibel erklärtermaßen „in the interpretative framework … of the [Catholic] church“ liest und versteht (s. S. [195-208]200). Wie sehr dieses Bewusstsein bei so vielen Theologen fehlt, kommt nicht zuletzt und beispielsweise in Udo Schnelles „Einführung in die Evangelische Theologie“ (2021) zum Ausdruck, wenn er im Abschnitt „Zeit und Geschichte“ auf S. 173 schreibt: „Die Vergangenheit bestimmt Gegenwart und Zukunft.“ Wehe, wenn man nur auf die Vergangenheit fixiert ist! Zeitgeist und Heiliger Geist sind gewiss nicht unbedingt Freunde. Aber wir glauben doch an den heute wirkenden Geist. Wir müssen elementar und konkret hermeneutisch denken, reden und schreiben!

Viertens fielen mir eine Reihe kleiner (Druck-)Fehler auf; z.B. steht S. 258 statt des gebräuchlichen 1.Kor „Erster Korintherbrief“ und S. 294 „Willie“ statt Rudolf Pesch. Und Otto Böcher (1935-2020) hatte drei Vornamen: Otto Hermann Konrad.

Fünftens und letztens: Toll, was da zusammengetragen wurde. Aber warum ist das Buch so teuer?

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