Lorenz Jäger, Die Kunst des Lebens, die Kunst des Sterbens
Lorenz Jäger, Die Kunst des Lebens, die Kunst des Sterbens Rowohlt-Verlag Berlin 2024, gebunden269 S.25,--€. ISBN9783737101707
Der ehemalige Leiter des Ressorts Geisteswissenschaften der FAZ legt nun - nach seinen beiden monumentalen Biographien zu Walter Benjamin und Martin Heidegger – ein vergleichsweise schmales Sachbuch zu einem uralten Menschheitsthema vor, nämlich der Endlichkeit des menschlichen Lebens.
Bevor ich im Sinne kleiner Anmerkungen fünf Punkte markieren möchte, sei vorneweg das wichtigste gesagt: der Autor propagiert nicht seine persönlichen Meinungen oder gar seinen Glauben. Diesen behält er bei sich. Sein Buch trägt an keiner einzigen Stelle konfessorische Züge. Im Gegenteil! Wie sich Jäger als Biograph in das Leben und Denken seiner Protagonisten einfühlte, so eruierte er jetzt thematisch weit gefächert das Leben und vor allem das Sterben sehr vieler Persönlichkeiten des Nahen Orients und vor allem des Abendlandes. „Athen und Jerusalem haben unsere Kultur geformt, auf sie müssen wie öfter zurückkommen.“ (S. 35) Das Buch endet S. 243-245 mit den letzten Worten Jesu. “Wo es um letzte Worte geht, endet das Reich der Phrase. Alles ist hier Bitte, Fürbitte für andere und Zuspruch; einzelne Menschen werden angeredet...“
(1) Das Namensverzeichnis umfasst satte dreieinhalb eng bedruckte Seiten. Jägers Buch ist durchsetzt mit unendlich vielen, meist kurzen Zitaten. Jedes ist ordentlichst belegt. Das macht Jägers Buch zu einer Fundgrube von Zitaten aus dem Themenbereich Sterben und Tod – und des Lebens. Deshalb ist es ein ars moriendi und ein ars vitae-Buch.
(2) Das Leben als solches spielt abgesehenvon Kapitel acht („Leben schenken“) keine tragende Rolle. Und eben dieses Kapitel endet S. 97 mit der Meldung des MDR vom 27.10.2022, dass „jede fünfte Frau in Deutschland kinderlos bleibt.“
(3) Man vermisst Ausführungen zu Ägypten (Totengericht, Mumifizierung usw.) oder außereuropäischen Kulturkreisen. Ausnahme sind einige wenige Seiten (159-166) zum Buddhismus, diese jedoch mit einer westlich-aufgeklärten Brille gesehen.
(4) Ein gräulicher Fehler unterlief auf S. 240. Denn dort stirbt Jesus an Ostern!
(5) Auf S. 16 notiert Jäger fast beiläufig die „anthropologische Revolution“ der Moderne: Leben und Sterben / Tod werden in die menschliche Verfügungsgewalt genommen.
Dr. Gerhard Maier