Die Sommerferien haben wir oft auf einem Bauernhof am Chiemsee verbraucht. Unser Bauer Toni, soviel er auch von Kühen und Landwirtschaft versteht, der Obstbau gehört nicht zu seinen stärksten Seiten. So habe ich mich im Sommer an seine Obstbäume gemacht. Nicht dass ich davon mehr verstünde. Aber ein bisschen nachschauen schadet ja nicht. Einer seiner Bäume ist ein kräftiger Apfelbaum. Stark und scheinbar unerschütterlich stand sein hundertjähriger Stamm im Windschatten des Stalles, aber in diesem Jahr trug er kaum etwas. Ein paar kleine Äpfelchen und die schmeckten nicht einmal den Hasen. Als ich den Baum näher in Augenschein nahm, kam die Wurzel des Übels an den Tag. Kernfäule. Von innen, vom Kern des Baumes her, faulte der Baum zusammen. Stück um Stück.
I.
Wenn der Baum eben von innen her faul ist, dann kann er eben keine guten Früchte hervorbringen. Da helfen auch kein starker Stamm und auch keine schönen Zweige und Blätter. So redet Jakobus von uns Menschen: Außen und innen gehören zusammen. Ich kann nicht sagen, ich bin ein rechter Christ, handle aber nicht entsprechend. Der Glaube bringt gute Werke hervor, sonst ist es kein Glaube.
An unseren Werken wird man unsere innere Beschaffenheit, unseren Glauben erkennen. Denn was hilft es den hungernden Menschen in, wenn ich sage: „Ich liebe euch so sehr“! aber mein Geldbeutel bleibt immer verschlossen? Was hilft es, wenn ich meinen Kindern sage: „Ihr seid mir sehr wichtig“! aber ich habe nie Zeit für sie? Innen und außen müssen zusammenpassen. Christlicher Glaube ist keine Angelegenheit, die sich mit ein bisschen besserem Handeln und dann noch möglichst zur Weihnachtszeit, damit das Gewissen entlastet ist, abtun kann. Außen und innen muss zusammenpassen. Glauben und Tun eine Einheit bilden
Glauben heißt: sich Gott anvertrauen, sein Herz an Gott zu hängen. Sich ganz auf ihn einzulassen. Unser Innerstes an Gottes Handeln auszurichten. Dann werden uns die Worte und Taten Jesu Bild und Vorbild sein, wenn wir wirklich „glauben“, dann ändert sich auch wie wir leben und arbeiten, wie wir mit unseren Kindern mit unseren Männern und Frauen mit unseren Eltern, mit unseren Nachbarn und Freunden, kurzum mit allen Menschen, wie wir mit dieser Welt und allem umgehen, was wir besitzen. Glauben und Tun gehören zusammen.
II.
Nicht missverstehen. Jakobus redet nicht davon, dass wir das alles aus eigener Kraft schaffen können. Jakobus redet nicht davon, dass wir uns nur richtig anstrengen müssen und wir dann heilig und gut leben. Aber er redet davon, dass dort wo Christsein draufsteht, auch Christsein drin sein soll. Glaube bedeutet: Es ist für mich gesorgt, weil Gott für mich sorgt. Ich kann großzügig werden mit dem, was mir gehört. Glaube bedeutet: Gott war großzügig mit mir, ich kann und darf großzügig mit anderen umgehen. Glaube bedeutet: Gott sieht mich und mein Leben und auch das, was mir fehlt. Ich kann deshalb die anderen Menschen und ihre Not sehen und wahrnehmen.
Nun fragen die Menschen damals und wir heute: Was sollen wir denn tun? Machen Sie die Augen und die Ohren auf! Die Chancen das richtige zu tun, werden Ihnen über den Weg laufen! Was sollen wir tun? Jakobus hat klare Vorstellungen: Wer zwei Hemden hat, gebe dem, der keines hat, eines ab. Nicht mehr fordern, als geboten ist. Er zeichnet ein zynisches Verhalten nach. Da wird den Bedürftigen in der Gemeinde das Elementare verweigert: Kleidung und Nahrung. Sie werden abgefertigt mit einem: Geht hin im Frieden! Hiermit entzieht man sich der unmittelbar sichtbaren Not. Es könnte etwas kosten an Zeit, Geld, Energie. Ich müsste etwas von mir selbst geben.
III.
Aber einfacher ist christlicher Glaube nicht leben. Wer glaubt, lässt sich immer von der Not des Nächsten so berühren, dass er ins Handeln kommt. Stellen Sie sich das heute vor: Jeder gebe die Hälfte seines Besitzes ab. Jeder rechne nicht immer zuerst für seinen eigenen Vorteil und fordere immer alles ein, was ihm zusteht, sondern mache einmal die Augen zu und die Hände auf. Und das nicht nur zur Weihnachtszeit. Wir könnten die Liste beliebig fortsetzen. Das sind die Werke, die zu tun sind aus einem glaubenden Herzen kommen. Sie wenden sich den Menschen zu, die uns brauchen. Und Augen und Ohren, wer mit offenen und bereiten Ohren und Händen unterwegs sein wird, wird viele treffen und vielen begegnen, die mein Ohr und meine Hand brauchen.
Ist uns das zu radikal? Ist uns das zu unangenehm? Mein Großvater erreichte das 81. Lebensjahr als Bauer. Gehungert hat er in seinem Leben nie. Dafür umso härter gearbeitet und dafür weniger geschlafen. Viel Geld hatte er auch nicht. Seine Frau hat er früh verloren und auch zwei Kriege mitgemacht. Aber was mich immer an ihm verwundert hat und ich bewundert habe, war seine Gelassenheit und seine Ruhe. Das Unbezwingliche in ihm, das mich als Kind immer fasziniert hat.
Der Kern des Baumes war gesund, mochten auch noch so viele Stürme an ihm rütteln. Ich habe es erst spät begriffen und erkannt, woran es lag: Das Herz entscheidet, der Glaube an den himmlischen Vater, der unser Leben sieht, entscheidet über die Ausrichtung unseres Lebens. Wohl dem Menschen, dessen Herz Gott und sich auf seinem Nächsten ausrichtet!