Gesundes Gotteslob
„Jauchzet zu Gott, alle Lande! Lobsinget zur Ehre seines Namens; rühmet ihn herrlich! Sprecht zu Gott. Wie wunderbar sind deine Werke! haben wir im 66. Psalm miteinander gebetet. Wenn wir uns in diesen Frühlingstagen in unserer blühenden Natur umschauen, dann fällt uns diese Art von Gotteslob am Sonntag „Jubilate“ nicht schwer: „Alles Land bete dich an und lobsinge dir, lobsinge deinem Namen. Kommt her und sehet an die Werke Gottes, der so wunderbar ist in seinem Tun an den Menschenkindern.“ „Jubilate Deo“, „Jauchzet Gott, lobsinget zur Ehre seines Namens” – wann liegt uns das näher als an leichten, sonnigen Frühlingstagen, wenn wir mit dem Erwachen der Natur neue Kräfte tanken, unser Gemüt sich aufhellt im Glanz der kräftiger werdenden Sonne? Dann werden auch unsere Lebensgeister wieder munter, so wie es in dem Psalm heißt: „Lobet, ihr Völker, unsern Gott, lasst seinen Ruhm weit erschallen, der unsere Seelen am Leben erhält und läßt unsere Füße nicht gleiten.“ Gotteslob, kräftiges, volltönendes Gotteslob trägt eine große Kraft in sich, die aufbauen und festigen kann; gemeinsames, gesungenes Gotteslob tut unseren Seele gut und stärkt uns den Rücken, auch manches Schwierige im Alltag besser auszuhalten.
Das Vertrauen in die Güte Gottes ist ein gutes Fundament, um mit den Gegebenheiten des Lebens fertig zu werden und Kraft zu schöpfen für unser Dasein in der Welt. Darum schließt der Beter seinen Psalm noch einmal mit einem vertrauensvollem Gotteslob: „Gelobt sei Gott, der mein Gebet nicht verwirft noch sein Güte von mir wendet.“
Wichtig ist: Das Lob Gottes ist nicht etwas, das isoliert und abstrakt in einem heiligen Raum praktiziert wird, der mit dem normalen Leben nichts zu tun hat, sondern es ist immer das Lob von Menschen, die mitten im Leben stehen, sich auseinandersetzen müssen mit den aktuellen Gegebenheiten, mit den Licht- und den Schattenseiten des Daseins. Gerade Menschen, die Schlechtes erlebt, Schmerzliches ausgehalten und viel mitgemacht haben in ihrem Leben, sind in ihrem Glaubenszeugnis umso überzeugender. Aus ihrem Mund klingt das „Dennoch des Glaubens“ authentisch und echt. Es zeugt von einem Vertrauen, das mit einer Kraft rechnet, die jenseits des Sichtbaren und innerweltlich Vorfindlichen liegt; die stärker ist als alle dunklen Mächte und ungerechten Verhältnisse in dieser Welt.
Gottesliebe und Nächstenliebe
Unser heutiger Predigttext aus dem 1. Johannesbrief fasst dieses Vertrauen in Gott in die Worte: „Unser Glaube ist der Sieg, der die Welt überwunden hat.“ Im Glauben an Gott bekommt der Mensch ein Fundament, auf dem er fest und sicher stehen kann, was auch immer ihm in dieser Welt begegnen mag. Er gewinnt einen Standpunkt, der hilft, schlimme Vorgänge zu erkennen und als solche auch mutig zu benennen, denn im Licht des Glaubens treten die Grenzen von Recht und Unrecht deutlich zutage. Der Maßstab der Gebote Gottes lehrt uns als Christen, was im Sinne Gottes ist und was seiner Gerechtigkeit zuwiderläuft und darum tunlichst zu unterlassen ist. Für den 1. Johannesbrief besteht ein unauflöslicher Zusammenhang zwischen der Liebe zu Gott und dem Halten der Gebote, wenn er seine Gemeinde mahnt: „Denn das ist die Liebe zu Gott, dass wir seine Gebote halten; und seine Gebote sind nicht schwer.“
Gottes Gebot hilft uns, unser menschliches Zusammenleben gut und gerecht zu organisieren. Eigentlich sind die „Spielregeln“ also klar, und doch haben menschliche Gemeinschaften – und selbst christliche – immer wieder dagegen verstoßen. Auch in der Gemeinde des Schreibers des 1. Johannesbriefes war dieses Problem virulent. Da gab es welche, die das geschwisterliche Miteinander aufgekündigt haben, die es an geschwisterlicher Liebe zu ihren Mitchristen fehlen ließen und sich nicht mehr an Gottes Gebote gebunden fühlten.
Alles innerweltliche Verhalten, also das, was wir Ethik nennen, war für sie ohnehin nicht mehr wichtig, weil sie sich schwärmerisch-geistig schon in höheren Sphären des Göttlichen wähnten. In der Auseinandersetzung mit diesen verirrten Weggefährten, die der 1. Johannesbrief in aller Schärfe sogar „Lügner“, „Lügenpropheten“ und „Kinder des Teufels“ nennt, versucht unser Briefschreiber seine Gemeindeglieder wieder zu erinnern an die ethischen Grundkonstanten christlichen Glaubens und Lebens, nämlich der Liebe zu Gott und der Liebe zu unseren Nächsten als Gottes Kindern, wenn er ihnen schreibt: „Wer glaubt, dass Jesus der Christus ist, der ist von Gott geboren; und wer den liebt, der ihn geboren hat, der liebt auch den, der von ihm geboren ist. Daran erkennen wir, dass wir Gottes Kinder lieben, wenn wir Gott lieben und seine Gebote halten.“ Unsere Nächstenliebe ist der Gradmesser unserer Liebe zu Gott. Gottesliebe und Nächstenliebe gehören untrennbar zusammen.
Keine Gottesliebe ohne Nächstenliebe und umgekehrt. Anders gesagt: Glauben und Handeln gehören zusammen. Traurigerweise haben Christen es nötig, an diese Fundamente ihres Glaubens immer wieder erinnert zu werden, an eben diese Zusammengehörigkeit der Liebe zu Gott und der „brüderliche“ Liebe mit ihren ethischen „Spielregeln“. Die Ermahnung zum Halten der Gebote Gottes tut not, eben weil wir sie immer wieder übertreten, obwohl sie wichtig sind für unser Zusammenleben. Sie sind der Orientierungsrahmen, an dem wir als Christen unser Handeln ausrichten sollen, um ein Zeichen zu setzen für das Rechte und Gute in dieser Welt.
Beispielhafter Glaube
Einer der großer christlichen Prediger aus unserer Zeit, der es sich zur Lebensaufgabe gemacht hat, diesen Maßstab der Gottes- und Nächstenliebe immer wieder einzuschärfen und aufzuzeigen – explizit gerade da, wo sich Unrechtsverhältnisse manifestiert haben – ist der schwarze Bürgerrechtler Martin Luther King. Seine Reden, Aufsätze und Predigten zählen zu den großen „Weltbotschaften“ des 20. Jahrhundert. Er ist bis heute einer der überzeugendsten Gewährsmänner für den Satz aus dem 1. Johannesbrief: „Unser Glaube ist der Sieg, der die Welt überwunden hat.“ Seine christliche Überzeugung war für ihn das Fundament, auf dem er stand. Und sie war seine Zurüstung für die Aufgabe, vor die er sich gestellt sah, nämlich den aktiven Widerstand gegen Diskriminierung und Unterdrückung; die gewaltfreie Änderung von Unrechtsverhältnissen, durch die Menschen wegen ihrer Hautfarbe, ihrer Herkunft oder ihres sozialen Standes benachteiligt werden.
Sein ganzes Leben und seinen Dienst hat der Sohn eines Baptistenpredigers dieser Aufgabe gewidmet, in der vollen Überzeugung, dass jegliche Art von Benachteiligung und Diskriminierung Gottes Geboten und Wahrheit zuwiderläuft. So schrieb er: „Und mir war, als könnte ich in diesem Moment eine innere Stimme hören, die zu mir sagte: Martin Luther, stehe auf für die Gerechtigkeit. Stehe auf für das Recht. Stehe auf für die Wahrheit.“ Darum ist die Beschäftigung mit Martin Luther King heute mehr als nur eine historische Erinnerung an eine aufrechten Gläubigen, der sich entschieden gegen die Rassendiskriminierung in den Vereinigten Staaten wandte. Auch seine Überlegungen zur Aufgabe der Kirche und zur Gestalt des praktischen Handelns der Gemeinde sind heute hochaktuell, weil die Abwertung anderer Menschen überall passiert. Für Christen aber zählt zu allen Zeiten: Die Liebe zu Gott und die Liebe zum Nächsten gehören zusammen. Das gilt gerade da, wo sich politische Verhältnisse und ideologische Haltungen manifestiert haben, die es an der Liebe zum Nächsten fehlen lassen. Viele haben Martin Luther King für naiv gehalten, einen Träumer, manche sogar für einen verkappten Kommunisten.
Martin Luther King aber ist bis zu seinem gewaltsamen Tod mit 39 Jahren seinem Glauben und seinem überzeugten Eintreten für Recht und Gerechtigkeit treu geblieben. „Unser Glaube ist der Sieg, der die Welt überwunden hat“ – darauf hat er vertraut und danach hat er gehandelt. Was er der christlichen Kirche 1965 ins Stammbuch geschrieben hat, das ist heute aktueller denn je in einer Zeit, wo im Strudel einer weltweiten Kriegs- und Terrorismuswelle fundamentale Menschenrechte wie das Recht auf unversehrtes Leben von barbarischen Terroristen und gewissenlosen politischen Machthabern mit Füßen getreten werden. Vieles, was King geschrieben und gesagt hat, behält seine zeitlose Gültigkeit bis heute. Seine Texte sind ein Zeugnis für die unerschütterliche Kraft seines Glaubens, durch den er sich hat in Dienst nehmen lassen für die Sache Gottes, die auch immer den Nächsten im Blick hat:
„In unserer Zeit, in der alle Kräfte der Geschichte in einer ungeheuren Bewegung sind, kann die Kirche in Klarheit und mit Weitblick sprechen, indem sie den Weg weist – weit über die Gesetze hinausgehend – zu einem Königreich, in dem alle Menschen Brüder sind und in dem jeder, egal wie reich oder arm, wie gebildet oder ungebildet, wie schwarz oder weiß, einen Beitrag zu seiner Gesellschaft leisten kann. Einen Beitrag in Liebe und im Vertrauen darauf, dass er seines Wertes ganz sicher sein kann, weil er Gottes Kind ist und weil Gott ihm den Odem des Lebens verliehen, ihn an einen bestimmten Platz der Geschichte und der Gesellschaft gestellt und ihn aufgefordert hat, als Erbe und Teilhaber des Reiches Gottes zu leben. Wenn die Kirche diese Herausforderung und Gelegenheit annimmt, wird die ganze Welt vor Freude jubeln, und die Söhne Gottes werden nicht mehr weinen”.