Predigt

Mehr als Familie?

Die Liebe Gottes endet nicht an der Türschwelle unserer Wohnung

PredigttextMarkus 3,31-35 (mit Einführung)
Kirche / Ort:Gustav-Adolf-Kirche Worms-Horchheim und Wiesoppenheim
Datum:14.09.2025
Kirchenjahr:13. Sonntag nach Trinitatis
Autor:Pfarrer Dr. Raphael Zager, wiss. Mitarbeiter

Predigttext: Markus 3,31-35 (Übersetzung nach Martin Luther, Revision 2017)

Und es kamen seine Mutter und seine Brüder und standen draußen, schickten zu ihm und ließen ihn rufen. Und das Volk saß um ihn. Und sie sprachen zu ihm: Siehe, deine Mutter und deine Brüder und deine Schwestern draußen fragen nach dir. Und er antwortete ihnen und sprach: Wer ist meine Mutter und meine Brüder? Und er sah ringsum auf die, die um ihn im Kreise saßen, und sprach: Siehe, das ist meine Mutter und das sind meine Brüder! Denn wer Gottes Willen tut, der ist mein Bruder und meine Schwester und meine Mutter.

Exegetische und homiletische Hinführung

Die Perikope markiert einen Wendepunkt im Markusevangelium: Jesu leibliche Familie steht „draußen“, während er „drinnen“ von einer Menschenmenge umgeben ist. Dieses räumliche Detail erhält symbolisches Gewicht, es trennt Herkunft und neue Zugehörigkeit.

Auf die Anfrage seiner Mutter und Brüder folgt Jesu harsch wirkende Reaktion, die eine radikalen Neudefinition enthält: Familie ist nicht mehr durch Blut, Herkunft oder Tradition bestimmt, sondern durch die Ausrichtung am Willen Gottes. Damit entwirft Markus ein Bild der familia Dei, einer neuen Gemeinschaft, die die alten Grenzen sprengt und die „Königsherrschaft Gottes“ bereits sichtbar macht. Diese Neuformulierung des Familienbegriffs lässt sich zum Proprium des Gottesdienstes am 13. Sonntag nach Trinitatis in Verbindung setzen: die Liebe zum Nächsten, und sei es jemand, der mir völlig fremd ist (Evangeliumslesung: Barmherziger Samariter). Im Wochenspruch ruft Jesus Christus uns ins Gedächtnis: „Was ihr getan habt einem von diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan.“ (Mt 25,40 b)

Der Text provoziert: Wie kann Jesus seine eigene Familie abweisen? Wie sieht es mit meiner eigenen Familie aus? Wem fühle ich mich verpflichtet? Jesus verschiebt die Antwort weg von den engen Banden der Blutsverwandtschaft hin zu einer offenen, am Willen Gottes orientierten Gemeinschaft.

Gerd Theißen spricht in diesem Zusammenhang von einem ‚a-familären Ethos Jesu‘ (G. Theißen / A. Merz, 200), das historisch nicht zuletzt mit seiner Naherwartung zusammenhängt. Darin liegt sowohl Herausforderung als auch Verheißung. Herausforderung, weil vertraute Sicherheiten und Loyalitäten nicht mehr selbstverständlich gelten. Verheißung, weil jeder und jede Teil dieser neuen Familie werden kann, unabhängig von Herkunft, Geschlecht oder sozialem Stand.

Homiletisch öffnet sich hier ein Raum, in dem Menschen ihre eigene Erfahrung mit ihren (oft ambivalenten) familiären Bindungen – mit ihrer Enge, aber auch mit ihrer Wärme – ins Gespräch bringen können mit Jesu Verheißung einer neuen, auf Gottes Willen gegründeten Gemeinschaft.

Schlagworte: Familie; Zugehörigkeit; Nächstenliebe; Öffnung; Geschwisterlichkeit

Lektürehinweise

Becker,Eve-Marie u. Haberer, Johanna: Markus 3,31-35 | 13. Sonntag nach Trinitatis | 14.09.2025, URL: https://www.die-bibel.de/ressourcen/efp/reihe1/13-nach-trinitatis-markus-3 (abgerufen am 4.9.2025)

Theißen, Gerd u. Merz, Annette: Wer war Jesus? Der erinnerte Jesus in historischer Sicht. Ein Lehrbuch, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2023.

Guttenberger,Gudrun: Das Evangelium nach Markus, ZBK.NT 2, Zürich: Theologischer Verlag 2017.

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