Ein herausfordernder Text aus dem Lukas-Evangelium. Jesus ruft dazu auf, unsere Feinde zu lieben und Gutes zu tun. Diese Worte laden nicht zu moralischem Handeln ein, sondern kehren unsere natürlichen Reaktionen radikal um. Ein aktuelles Beispiel für diese Herausforderung ist der Fall von Marco Walczak. Durch das Posten einer nationalsozialistischen Parole hat er ein extrem erschreckendes Signal gesendet. Wie sollen wir damit umgehen?
Radikale Liebe
Jesus fordert uns auf: "Liebt eure Feinde". Es ist leicht, diejenigen zu lieben, die uns lieben. Doch Jesus fordert uns auf, auch die zu lieben, die uns schaden.
Vielleicht will Jesus damit sagen, Ruhe zu bewahren, auszuhalten und die Kommunikation auf Augenhöhe suchen, auch wenn wir mit verletzenden Äußerungen konfrontiert werden; für diejenigen zu beten, die uns beleidigen. Das erfordert Geduld und die Bereitschaft, uns selbst zurückzunehmen und in Liebe zu handeln. In diesem Zusammenhang höre ich den Wochenspruch für diese Woche: "Selig sind, die Frieden stiften; denn sie werden Gottes Kinder heißen."
Es ist nicht besonders verdienstvoll, sagt Jesus, wenn wir nur denen Gutes tun, die auch zu uns gut sind. Der wahre Test unserer Liebe besteht darin, wie wir auf diejenigen reagieren, die uns Unrecht tun. Hier zeigt sich die Herausforderung des christlichen Glaubens. Wir sind berufen, anders zu sein: Licht in der Dunkelheit, Salz der Erde, dazu aufgerufen, in der Welt heilsam zu wirken. Salz bewahrt das Gute und verleiht dem Leben Geschmack. Doch es fällt uns schwer, einem Menschen, der uns beispielsweise am Arbeitsplatz, in der Schule oder online mobbt, Gutes zu tun. Will Jesus wirklich, dass wir jedem Menschen, egal was er tut, zustimmen und ihn unterstützen? Nein.
Was bedeutet Feindesliebe? Meines Erachtens beginnt die Liebe Gottes dort, wo wir aushalten und ertragen und einen Weg der Versöhnung und des Friedens suchen. Wenn wir lieben, ohne eine Gegenleistung zu erwarten, spiegeln wir die bedingungslose Liebe Gottes wider. Diese Liebe fließt aus dem Herzen Gottes in unser Leben und durch unser Handeln.
Barmherzigkeit und Vergebung
Barmherzigkeit und Vergebung sind nicht nur fromme Begriffe, sie sind grundlegend für unseren Glauben. In einer Welt voller Hass und Spaltung fordert uns Jesus auf, über unsere eigenen Verletzungen hinauszublicken.
Barmherzigkeit bedeutet, die Menschlichkeit in jedem Menschen zu erkennen, auch in denen, die uns schaden. Jesus fordert uns auf, solche Menschen nicht nur als Feinde zu betrachten, sondern als Menschen, die ebenfalls
Schmerz und Unsicherheit erleben.
Vergebung ist der nächste Schritt. Vergebung bedeutet nicht, das Unrecht zu entschuldigen oder zu ignorieren, sondern den Groll loszulassen. Vergebung befreit nicht nur den anderen Menschen, sondern vor allem uns selbst. Wenn wir vergeben, brechen wir den Kreislauf von Hass und Rache und öffnen uns für die Möglichkeit der Versöhnung.
"Selig sind, die Frieden stiften; denn sie werden Gottes Kinder heißen." Barmherzigkeit und Vergebung machen uns zu wahren Friedensstiftern. Sich dafür zu entscheiden, erfordert Mut, aber führt uns auch in die Freiheit, die Jesus verheißt.
Das Maß
"Gebt, so wird euch gegeben." Jesus spricht über das Maß, mit dem wir messen. Wenn wir in Liebe und Barmherzigkeit leben, wird uns auch Liebe und Barmherzigkeit zuteil. Menschen, die im Frieden mit sich selbst leben, strahlen eine innere Ruhe aus, sie fördern in ihrem Umfeld Harmonie und Verständnis.
Wie das Anfangs genannte Beispiel von Marco Walczak zeigt, sollten uns gegenseitig fragen: Was würdest du besser machen? Was stört dich? Geben wir denen mit anderer Meinung die Chance, zu Wort zu kommen und in das Gespräch über anderes Gedankengut. Den anderen Menschen zu Wort kommen zu lassen, ihn ausreden zu lassen und seine Meinung zu ertragen, obwohl man selbst eine andere Auffassung hat, fällt schwer. Aber genau das fordert Jesus von uns. Niemand von uns hat die Wahrheit ergriffen. Alle tragen Funken der Wahrheit Gottes in sich. Nur im Dialog auf Augenhöhe finden wir einen
gemeinsamen Weg. Das ist nicht leicht. Viel lieber würde ich sagen: "Der/Die ist doof, ich will nichts mit ihm/ihr zu tun haben, der/die soll sein/ihr eigenes Leben leben". Doch ich bin Christ. Ich bin aufgefordert, die Welt zu verändern. Wir sind berufen: Liebt – wahrhaftig. Und Lebt – füreinander – für Gott.