In Zeiten von Hochwasserkatastrophen wird in den Nachrichtenmedien kaum ein Wort so häufig gebraucht wie das Wort „Sintflut“.
I
„Sintflut” ist ein biblisches Wort, es bedeutet „große Flut“ und erinnert an die Sintfluterzählung im Ersten Buch Mose. Dort ist zu hören, wie Gott, als die Bosheit der Menschen überhandnahm, den Entschluss fasst, alles Leben zu vernichten, um mit ein paar wenigen Menschen und Tieren neu anzufangen. Exemplarisch für diese Menschen steht der Name Noah. Für hebräische Ohren klingen in dem Namen die Worte „ruhen, ausruhen, abwarten“ an. Der Entschluss, Leben zu vernichten, fiel Gott schwer, wie ausdrücklich vermerkt wird: „Gott sah, dass die Menschen auf der Erde völlig verdorben waren. Alles, was aus ihrem Herzen kam, ihr ganzes Denken und Planen, war durch und durch böse. Das tat Gott weh, und er bereute, dass er sie erschaffen hatte“.
Die Sintfluterzählung spiegelt und reflektiert die Erfahrungen von Menschen, die die Katastrophe(n) überlebten. Ihre Fragen bestürmen die Betroffenen aller Zeiten. Fragen nach dem „Warum“. Bedrängend bleibt die Frage, ob Gott damit etwas zu tun habe und ob er die Katastrophe hätte verhindern können. Hoffnung und Zuversicht gegen Angst und Resignation sprechen aus Gottes Herz: „Solange die Erde steht, soll nicht aufhören Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht”.
II
Leider lehrt die Menschenheitsgeschichte, dass sich der Mensch durch Katastrophen kaum besonnen und gebessert hat. Bleibt der Mensch gefährlich und zugleich gefährdet, „solange die Erde steht“? Warum und wozu dann noch verantwortlich leben und handeln? Aber die biblische Geschichte lenkt mit der Erwähnung Noahs, seiner Familie und der Tiere unsere Aufmerksamkeit auf Gott, auf seine Zukunft, „solange die Erde steht”. Noah hat Gott vertraut gegen alle menschlichen Einreden, er „tat alles, was ihm Gott gebot“.
Wie lange noch bedrohen Menschen einander, gehen mit Gewalt aufeinander los, führen Krieg, entzweien und zerstören, vernichten gute Saat und Ernte. Viele sagen, es werde immer so bleiben, „solange die Erde steht“. Aber auch die schöpfungsfreundliche Zusage Gottes wird bleiben, „solange die Erde steht“.
Darum stellt Gott vor eine folgenreiche Wahl: Ob sich der Mensch von zerstörerischem Verhalten bestimmen lässt oder von der Hoffnung, die mit dem Namen Gottes verbunden ist und mit dem Namen Noah, der auf Gottes Zukunft vertrauensvoll wartet und entsprechend handelt.
Ein Schiff, eine Arche bauen, das heißt heute: sich mit Gottvertrauen für „Gerechtigkeit, Friede und Bewahrung der Schöpfung“ einsetzen, das Ölblatt im Schnabel der Taube wahrnehmen. Dank gebührt allen „Noahs“ weltweit in Gesellschaft und Kirche, die „reformationsoffen“ auf tägliche Erneuerung aus der heiligen Geistkraft Gottes und Jesus Christus bedacht sind und miteinander den Kontakt pflegen.
III
Auch wer sich nicht (so) fromm wie Noah fühlt, kann sich in ihm wiederfinden: vielleicht als jemand, der noch einmal davongekommen ist. In der Arche der Bewahrung nach einem schweren Unfall; in der Arche der Genesung nach einer schlimmen Krankheit: in der Arche der Lebensfreude nach Zeiten der Verbitterung; in der Arche des Trostes in Trauer und Verzweiflung; in der Arche der Vergebung angesichts von Hartherzigkeit.
Noah geht aus der Arche heraus, ein neuer Tag beginnt für ihn, voller Hoffnung in Gottes Zukunft, in weites Land. Den scheinbar so selbstverständlichen Wechsel und Rhythmus von „Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht“ erlebt Noah als ein Geschenk und ein Gleichnis für Gottes Wesensart und Bund. Das Zeichen des Regenbogens spiegelt die Vielfalt und Schönheit seiner Schöpfung wider, und es erinnert an Noah, der gegen allen Augenschein „abwarten“ konnte und „Gnade fand vor Gott“.