Trennung überwinden
Keinen Hass und keine Diskriminierung zulassen
Predigttext | Galater 3,26-29 |
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Kirche / Ort: | Ev. Kirchengemeinden Lobenfeld, Mückenloch, Waldwimmersbach / Neckargemünd |
Datum: | 22.09.2024 |
Kirchenjahr: | 17. Sonntag nach Trinitatis |
Autor: | Pfarrer Dr. theol. In Jung |
Predigtttext: Gaater 3,26-29 (Übersetzung nach Martin Luther, Revision 2017)
26 Denn ihr seid alle durch den Glauben Gottes Kinder in Christus Jesus. 27 Denn ihr alle, die ihr auf Christus getauft seid, habt Christus angezogen. 28 Hier ist nicht Jude noch Grieche, hier ist nicht Sklave noch Freier, hier ist nicht Mann noch Frau; denn ihr seid allesamt einer in Christus Jesus. 29 Gehört ihr aber Christus an, so seid ihr ja Abrahams Nachkommen und nach der Verheißung Erben.
Pfarrer Dr. In Jung stellt sich mit der dieser Predigt den Gemeinden Lobenfeld, Mückenloch und Waldwimmersbach vor, in denen er sich als Pfarrer bewirbt.
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Heute darf ich zum ersten Male auf dieser Kanzel das Evangelium, die gute Nachricht, verkündigen – ich freue mich sehr darüber! Wie wunderbar ist’s, dass wir gemeinsam diesen Gottesdienst feiern! Drei verschiedene Kirchengemeinden aus Lobenfeld, Mückenloch und Waldwimmersbach bilden nun eine einzige Gemeinschaft. Der Apostel Paulus schreibt imdritten Kapitel seines Briefes an die Galater in den Versen 26–29, es ist der heutige Predigttext:
Denn ihr seid alle durch den Glauben Gottes Kinder in Christus Jesus. Denn ihr alle, die ihr auf Christus getauft seid, habt Christus angezogen. Hier ist nicht Jude noch Grieche, hier ist nicht Sklave noch Freier, hier ist nicht Mann noch Frau; denn ihr seid allesamt einer in Christus Jesus. Gehört ihr aber Christus an, so seid ihr ja Abrahams Nachkommen und nach der Verheißung Erben.
I
Haben Ihnen Ihre Eltern von Ihrem Tauftag erzählt? Hatten Sie damals als Kleinkind ein schönes weißes Taufkleid an? Haben ihre eigenen Kinder bei der Taufe geweint oder gelächelt? Gerne stelle ich mir das segensvolle Ereignis der ersten Taufe hier in dieser wunderschönen Kirche vor, also bald nach der Einweihung des Gotteshauses im Jahre 1931. Kennt vielleicht noch jemand den ersten Täufling persönlich?
Ich werde meine bisherigen Täuflinge nie vergessen. Sie sind alle einzigartig in Christus Jesus. In meinen bisherigen bescheidenen Tätigkeiten als Pfarrer war es eine sehr besondere Erfahrung, als ich einmal sechs Täuflinge in einem Gottesdienst taufen durfte. Was aber mich bewegte, war nicht die Anzahl der Täuflinge, sondern ihre Lebens- und Glaubensgeschichte. Sie waren Großeltern und Enkelkinder. Die Eltern meiner greisen Täuflinge konnten sie in der harten Zeit in Zentralasien leider nicht taufen lassen, sie glaubten aber an Jesus Christus, ließen ihre eigenen Kinder taufen und erzogen sie in Deutschland christlich und hingebungsvoll.
Und nun an ihrem Lebensabend, beim Taufgespräch für ihre Enkelkinder, haben sie sich für ihre eigene Taufe entschieden. Auch vor den anwesenden Angehörigen hatten sie ihre bevorstehende Taufe geheim gehalten. Daher war es eine Überraschung, als Oma und Opa als Täuflinge vor dem Taufstein standen. Bei den Worten „Ich taufe dich im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes“,hatten sie Tränen in ihren Augen – und ich in meinen. Da fragte der Mann: „Darf ich meine Tochter als Patentante haben?“ „Aber Ja“, antwortete ich berührt.
Diese Geschichte zeigt uns, dass der Glaube zeitlich der Taufe vorausgehen kann. Dies entspricht auch der urchristlichen Missionssituation wie bei Paulus. Wir haben gehört: „Ihr seid alle durch den Glauben Gottes Kinder in Christus Jesus“. Dabei ist aber keine Kindlichkeit der Glaubenden gemeint. Im Gegenteil: Wörtlich übersetzt, geht es hier um die „Söhne [und Töchter]“ Gottes, seine erwachsenen Kinder, wie meine damaligen greisen Täuflinge. Unmittelbar vor unserem Predigttext, fasst Paulus mit einem Satz die vorherige Auseinandersetzung zusammen: „Da nun der Glaube gekommen ist, sind wir nicht mehr unter dem Zuchtmeister“ des Gesetzes. Erst dann folgt unser heutiger Briefabschnitt.
Für „Zuchtmeister“ steht im griechischen Urtext ein Ausdruck, von dem das Wort „Pädagoge“ abgeleitet ist. Die Zuchtmeister, die Pädagogen, waren in der Antike dafür zuständig, die Kinder, meistens die Söhne aus besserem Haus zu überwachen und auf den Eintritt in die Welt der Erwachsenen vorzubereiten. Weil nun aber der Glaube gekommen ist, sind die Gläubigen nicht mehr unter diesem Zuchtmeister. So ist das Eintreten in die Welt des Glaubens gleich wie das Eintreten in die Welt der Erwachsenen. Darauf deutet auch der Ausdruck des Apostels: „Erben“. Im Glauben brauchen wir keinerlei Vormundschaft, um Gottes Kinder zu sein. Denn wir wissen, liebe Gemeinde, was wir glauben, und wir wissen, was wir durch den Glauben geerbt haben.
Allerdings ist der Glaube keine Voraussetzung für die Taufe! Mit großem Schmerz erleben wir auch die umgekehrten Fälle, dass man getauft wird und dann seinen Glauben verliert. Eine Taufe auf Jesus Christus ist unabhängig vom Glauben der Täuflinge wirksam. Auch ein abhandengekommener Glaube ändert daran nichts. Im Taufgeschehen handelt und wirkt Gott allein. Paulus schreibt: „Ihr alle, die ihr auf Christus getauft seid, habt Christus angezogen.“ Der Brauch des weißen Taufkleides hat hier seinen Ursprung. Die symbolische Farbe für Christus ist weiß. Das weiße Kleid veranschaulicht, dass eine Christin oder ein Christ Christus wie ein Kleid anzieht.
So wie die leiblichen Eltern ihre Kinder ankleiden, kleidet der himmlische Vater die Getauften in seinen ewigen Sohn, Jesus Christus. Das Gewand ist schützende Hülle. Es schützt vor Kälte und Hitze, schenkt Wärme, Geborgenheit und Sicherheit. Das „Anziehen“ Jesu Christi bedeutet darum auch Gottes Liebe, die den Täufling nun umfängt, es bezeugt so die Gnade Gottes, die unserem Glauben vorausgeht. Der barmherzige Vater wartet auch heute auf seine verlorenen Söhne und Töchter, die er liebevoll angekleidet hat. Voller Mitleid wird er hinlaufen, ihnen um den Hals fallen und sie küssen, wenn sie zum Glauben zurückkehren.
II
Wir alle haben so „Christus angezogen“. Wir alle haben uns in Christus eingehüllt – und dies vor Gott. Wenn Gott uns ansieht, dann sieht er seinen ewigen Sohn. Alles, was Christus getan hat, ist, als hätten wir es getan. Gottes Ja zu uns und das gemeinsame „Anziehen“ Christi stellen nun eine wunderbare Zusammengehörigkeit her. Paulus sagt: „Ihr seid allesamt einer in Christus Jesus“. Dieses männliche Zahlwort „einer“ ist einzigartig. Das heißt, in eurer Gesamtheit seid ihr selbst „Jesus Christus“. Der Glaube macht uns zu Gliedern am Leibe Christi.
So erleben wir eine Verwandlung, eine neue Schöpfung in Christus, bewohnen nun eine neue christliche Wirklichkeit. Hier ist nicht Jude noch Grieche, hier ist nicht Sklave noch Freier, hier ist nicht Mann noch Frau. Denn Gott sieht anders, vor Gott spielen all diese irdischen Gegebenheiten durch die Gemeinschaft in Christus Jesus keine Rolle mehr.
Schauen wir auf das Kreuz Jesu Christi! Der senkrechte Stamm des Kreuzes will uns auf die Verbindung nach oben hinweisen, von Gott zu uns Menschen, auf die Erniedrigung und Menschwerdung des ewigen Sohnes für uns. Es gibt aber auch einen horizontalen Balken, den Querbalken. Er verweist uns darauf: Wir sind miteinander eingebunden in die neue Schöpfung Jesu Christi. Die Arme Jesu waren damals in Golgatha und bleiben auch hier in den Gemeinden Mückenloch, Waldwimmersbach und Lobenfeld an dem horizontalen Balken seines Kreuzes ausgestreckt, damit wir in seiner umfassenden Liebe einen Leib bilden.
III
Ein schönes Bekenntnis steht dann noch am Ende unseres Briefabschnittes: „Gehört ihr aber Christus an, so seid ihr ja Abrahams Nachkommen und nach der Verheißung Erben“. Als Christinnen und Christen gehören wir in die unendlich lange Reihe aller Glaubenden, die sich zu Abraham als ihrem Stammvater bekennen. Von Anfang an bereitete und verhieß Gott mit Abraham seinen großen Segen ‚für alle Völker‘. Abraham glaubte, vertraute Gott; dies rechnete ihm Gott hoch an und hat ihn für gerecht erklärt (1. Mose 15,6). Gott hat aber Abraham nicht nur persönlich anerkannt, sondern sprach zu ihm: „In dir sollen alle Völker gesegnet werden.“ Darum schrieb Paulus: dass „[…] der Segen Abrahams zu den Völkern komme durch Christus Jesus und wir den verheißenen Geist empfingen durch den Glauben.“
So war es damals in Galatien ein großes Zeichen: Die Verheißung Gottes erfüllte sich, als in den christlichen Gemeinden nicht Jude noch Grieche war, weder Sklave noch Freier, weder Mann noch Frau. Die Galater waren einer in Christus Jesus! Diese Verheißung Gottes erfüllt sich auch heute unter uns hier in Mückenloch, in Waldwimmersbach und in Lobenfeld. Wir überwinden unsere Unterschiede in Christus Jesus. Menschen am Rande der Gesellschaft finden bei uns ein Zuhause. Frauen und Männer sind bei uns gleichgestellt. Wir lassen keinen Hass und keine Diskriminierung zu.
Dieser Zuspruch Gottes ist zugleich ein Anspruch, denn wir sind die Erben seiner Verheißung. Wir müssen unser Erbe gut verwalten und weitergeben. Heutzutage sprechen Viele von der Krise des Christentums in unserer pluralisierenden Gesellschaft, zumal wir weniger werden. Durch die genannten Taufen aber lernte ich: Was die Welt bewegt, ist nicht die Anzahl der Getauften, sondern ihr Glaube und Leben. In Deutschland habe ich dankbar einen schönen Ausspruch kennengelernt: „In jeder Krise liegt eine Chance!“
Wir werden so in unserer erweiterten neuen Gemeinschaft aus drei Gemeinden die Zeichen für die erfüllte Verheißung Gottes suchen und finden und unseren Glauben neu entdecken. Der Glaube ist wunderbar! Ich sagte zwar, dass die Zahl der Gläubigen nicht wesentlich ist. Und doch wächst das Christentum weltweit auch zahlenmäßig, auch zum jetzigen Zeitpunkt.
Wir sind durch Christus hier in diesen Gemeinden und mit unseren Schwestern und Brüdern auf der ganzen Welt eingebunden, wir sind miteinander eine weltweite Gemeinschaft. Bildlich gesagt, sind wir wie eine Vorhut aus der gesamten Segensgemeinschaft in Christus Jesus für unsere Nächsten in Lobenfeld, Waldwimmersbach und hier in Mückenloch. Unser Glaube ist so stark und wirksam, wie uns unser Wochenspruch begleiten wird: „Unser Glaube ist der Sieg, der die Welt überwunden hat.“ Wir sind „einer in Christus Jesus“, wir sind „Erben“ nach der Verheißung Gottes.